FEDERAL TALK

THE FEDERAL TALK ist ein politisches Forum zur CH-Politik von heute und morgen. Gastbeiträge sind erwünscht und Teil des Konzeptes.

Freitag, September 01, 2006

Ouagadougou–Bern: einfach oder retour?

Von Sandra Lo Curto, Inhaberin von SLC Media & Public Relations, Biel

Das Abstimmungswochenende rückt näher, an dem wir auch über das neue Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) und über die Revision des Asylgesetzes abzustimmen haben (24. September 06). Die Unterlagen sollten inzwischehn auch in Ihrem Briefkasten gelandet sein. Oh, Wunder! Keine gehässige Kampagne der SVP mit Plakaten im Retro-Stil diesmal? Warum denn auch Banknoten in Makulaturpapier verwerten, wenn ja die Opposition „nur“ von der SP, den Gewerkschaften, den Hilfswerken – also dem ganzen „Sozialkuchen“, dem man ohnehin nur schlecht als recht über den Weg traut – kommt?

Wirklich? Was ist mit Cornelio Sommaruga, ehemals Präsident IKRK, der die Thematik der Völkerwanderung in all seinen Facetten kennt? Was mit Franz Hohler – und mit ihm weitere über 700 Kulturschaffende, die sich in einem Manifest klar gegen das revidierte Asylgesetz aussprechen? (Ach ja, Kulturschaffende sind ja immer „rot“... Existiert dieses Klischee immer noch?) Wie kommen gestandene, bürgerliche Regierungsräte – der St. Galler Finanzminister Peter Schönenberger, die Freiburger Bildungsdirektorin Isabelle Chassot, die Mehrheit der Basler und der Neuenburger Regierung – dazu, ebenfalls gegen diese zwei Vorlagen zu sein? Und was, bitte schön, ist in den
Cousin von Bundesrat Pascal Couchepin gefahren, dass auch er im bürgerlichen Nein-Komitee sitzt? Auch die Stadtregierungen von Bern und Zürich, (z.T. auch Winterthur und Genf) wehren sich gegen dieses „unmenschliche Asylgesetz“. Das bürgerliche Komitee warnt sogar mit dem Satz: „Das neue Gesetz ist eine verlogene und gefährliche Scheinlösung!“

Warum denn? Weil durch diese Gesetzesrevision kein einziger jener „Scheinflüchtlinge“, die es sich in unserem Land bequem gemacht haben, zusätzlich ausgeschafft werden kann. Weil nicht nur Betrüger und Profiteure sich für eine Aufnahme als Flüchtlinge melden; und auch die „echten“ Flüchtlinge sehr oft ohne gültige Ausweise unterwegs sind! Weil die neue sogenannte Durchsetzungshaft die Haftzeit für Minderjährige (15- bis 18-jährig) auf 12 Monate und für Erwachsene auf 24 Monate verdoppelt, was eines humanitären Rechtsstaates wie die Schweiz unwürdig ist, auch sonst keinen Sinn macht und keine einzige Rückführung in kürzerer Zeit als bisher garantieren wird. Viel effektiver wäre, wenn sich der Bund endlich anstrengen würde, mit den Herkunftsländern der Asylsuchenden Rückkehrabkommen zu treffen.

„Die Wirklichkeit kümmert sich nicht um Unworte“, hat Martin Bühler, Journalist im Herzen und Regierungssprecher im Dienste von Bundesrat Samuel Schmid, mit seiner spitzen, aber träfen Feder neulich im „Bieler Tagblatt“ zum Thema verewigt; mit Wohlwollen und ohne Bitterkeit stellt er die unabänderlichen Veränderungen, die auch vor dem Bahnhof Biel nicht Halt gemacht haben, fest; er wähne sich manchmal in Ouagadougou, Nairobi oder Dakar... Die Frage ist halt, möchte ich zufügen, ob jemand Ouagadougou–Bern einfach oder retour gelöst hat... Natürlich möchten am liebsten alle, die an unserer Schweizer Grenze anklopfen, hier bleiben und Arbeit finden. Fakt aber ist, dass im ersten Halbjahr 2006 nur 14,4 Prozent der Asylgesuche gutgeheissen wurden. Zwar werden 56 Prozent weiter abgeklärt, weil sie den Status für Bürgerkriegsflüchtlinge erfüllen, aber das heisst noch lange nicht, dass diese Menschen bei uns Asyl erhalten werden; und auch nicht, dass alle potentielle Kriminelle oder „unechte“ Flüchtlinge sind. Fakt ist, dass die meisten Asylsuchenden aus instabilen Staaten stammen, in denen Bürgerkrieg oder Verfolgung an der Tagesordnung sind. Fakt ist ferner, dass die Mehrheit der abzuklärenden 56 Prozent das Rückfahrticket erhalten werden, weil wir nicht zu allen Ja sagen können. Nein sagen und die „Profiteure“ in Ausschaffungshaft setzen oder ihnen bloss die Nothilfe gewähren, das können wir schon heute mit den bestehenden Gesetzen.