FEDERAL TALK

THE FEDERAL TALK ist ein politisches Forum zur CH-Politik von heute und morgen. Gastbeiträge sind erwünscht und Teil des Konzeptes.

Dienstag, August 15, 2006

PC im Klassenzimmer: überforderte Behörden, überforderte Lehre

Von Sandra Lo Curto, Inhaberin von SLC Media & Public Relations, Biel

„Schulen ans Netz“: So heisst (immer noch) der clevere Slogan, den Swisscom-Marketingleute entwickelten, um als Privatunternehmen Partnerin der ersten nationalen Strategie von Bund und Kantonen im Bildungsbereich zu sein. Ziel: Den Einsatz von EDV in den Grundschulen fördern!

Doch es kam schlimmer als vor etlichen Jahren, als Bill Gates - zu Besuch in der Schweiz - gross ankündigte, er schenke den Schweizer Schulen x-hunderte PCs, natürlich alle mit Windows ausgestattet! Rund ein Jahr später musste der Bundesrat dankend ein solches Geschenk ablehnen, da die PCs (486er oder schon PI?) zu alt waren für die Ansprüche der Schweizer Schulen... Was wir heute in den Klassenzimmern haben, ist nicht viel besser: ein Sammelsurium von alt und weniger alt (selten neu), oftmals ungeeignet für den Unterricht, weil nicht mit dem Internet verbunden. Dafür werden die Schülerinnen und Schüler aufgefordert, die erforderlichen Recherchen für eine Klassenarbeit zuhause zu machen!

Und was ist aus der grossspurig angekündigten „Public Private Partnership“-Strategie, ein 2001 vom eidgenössischen Parlament beschlossenes Impulsprogramm, geworden? Eigens dafür wurde gar ein Bundesgesetz (zur Förderung der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in den Schulen) ausgearbeitet, das seit dem 1. August 2002 in Kraft ist; zu dessen Umsetzung hätte von Bund und Kantonen Geld während rund 7 Jahren fliessen sollen. Es kam anders: dieses Projekt fiel bereits dem ersten Sparpaket (2004) des Bundes zum Opfer, sang- und klanglos! Das BBT (Bundesamt für Bildung und Technologie) schrieb den Streichungsantrag gar selber! Wer wollte sich schon für rund 20 Mio Franken für IT in den Schulen stark machen, wenn rund 400 Mio Franken für die Hochschulen gefährdet waren?

So hat man die Swisscom mit dem Projekt allein gelassen. Und diese wusste ihren „Sozialeinsatz“ für die Schweizer Schulen ins richtige Licht der Öffentlichkeit stellen: mit einem Pressecommuniqué für die kleinste, die grösste, die 1000. Schule, die ans Internet angeschlossen wurde! Oder für ein Gymnasium in Timbuktu (Mali), das die Swisscom „einfach so“ mit PCs, Programme, Stromgeneratoren, Ventilatoren usw. versorgte...
Dieses Projekt der Swisscom war von Anfang an als Verlustgeschäft gedacht; ein Lieblingskind von ex-CEO Jens Alder, eine clevere Profilierungskampagne. Doch die Gemeinden, deren Schulen von der Swisscom ans www angeschlossen wurden, sind glücklich, dass sie keine Rechnung für Netzwerkkarten und Firewall zu bezahlen hatten. Ob dann das Angebot tatsächlich genutzt wird, steht auf einer anderen Tafel! In den Schulen gibt es entweder den Informatik begeisterten Lehrer, der mit den Schülerinnen und Schülern tolle Projekte und coole Websites macht (wow). Oder es gibt die zufällig zum Informatikunterricht verbrummte Lehrkraft, die nicht viel mehr Sachkenntnis mitbringt als der Abwart (sorry für den Abwart) – und der die gewieften Schüler einen PC-Streich nach dem anderen spielen, bis diese den PC-Unterricht (z.B. einen Semester lang das Zehnfingersystem lernen) schliesslich frustriert abschafft.

Doch nun kommt erstmals neuer Wind in die Sache: Die CVP Schweiz und einige ihrer Politikerinnen bekennen sich offen zur Swisscom-Strategie und fordern, dass „bis 2010 alle Schulen ans Internet gebracht werden“. Doch es mutet komisch an, wenn nun politisch „die Prüfung von Partnerschaften mit der Privatwirtschaft, also Public-Private-Partnership“ verlangt wird. Das hatten wir doch schon, nicht wahr?